Kleine Geschichte eines großen Gymnasiums - Lycée Pierre Corneille de Rouen

Kleine Geschichte eines großen Gymnasiums

, par Frédéric Vivien

In der zweiten Hälfte des 16. Jh. breitete sich eine neue religiöse Bewegung, die protestantische Reformation, sehr rasch zum Schaden der katholischen Kirche in Frankreich aus. Der Erzbischof von Rouen, Charles de Bourbon, Vetter des Königs, wollte eine Ausbildungsstätte errichten, deren Zweck es war, die aristokratische und bürgerliche Jugend im Sinne der strengen katholischen Lehre zu bilden. Er richtete sich an die „Compagnie de Jésus“ (Jesuiten), einen damals neuen, religiösen Orden.
So kam es zur Gründung des Collège de Bourbon im Jahre 1593.

Im 17. Jahrhundert

Das Gymnasium erfuhr einen schnellen und bemerkenswerten Aufstieg. Im Jahre 1662 zählte es knapp 2000 Schüler. Eine erste bauliche Ausdehnung ermöglichte die Errichtung des heutigen Portals und einer großen Kapelle, die zwischen 1614 und 1631 in einem originellen Stil erbaut wurde, der gotische und klassische Elemente verbindet.

Der Unterricht wurde in Latein abgehalten, in der Sprache, die auch die Schüler untereinander sprechen mussten. Weitere bedeutende Fächer waren Französisch, Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften. Die Klassen waren nicht sehr zahlreich, da nur etwa zehn Lehrer dort tätig waren.
Im 18. Jahrhundert

Die Wissenschaften bekamen einen bedeutenderen Platz im Unterricht.

Ein großes Umbauprogramm wurde gestartet, um die alten, uneinheitlichen und baufälligen Einrichtungen zu ersetzen. Davon sind immer noch die „salle des Actes“ und die etwas schmucklosen Gebäude erhalten, die den „cour des cuisines“ genannten Hof und den Ehrenhof umgeben. Der lateinische Leitspruch des Gymnasiums, der um die Uhr eingraviert ist, lautet :

„Hic labor, hic requies Musarum pendet ab horis”

Nach der Vertreibung der Jesuiten (1762) wurde aus der Anstalt das Collège Royal , wo die Arbeit nach denselben Richtlinien fortgesetzt wurde.
Die Revolution und das Kaisertum
Als 1796 das Collège der Ecole Centrale Platz machte, galt diese Entwicklung als pädagogisches, von den aufgeklärten Erziehungsprinzipien inspiriertes Experiment, das die Unterrichtsinhalte auf Kosten der alten Sprachen neu gestaltete. 1803 wurde das Gymnasium gegründet und bald Lycée Impérial genannt, das sich der Rückkehr zur Tradition widmete, die einerseits auf Sprach- und Literaturwissenschaft in Verbindung mit klassischer Philologie und Philosophie und andererseits auf der Mathematik beruht.

Im 19. Jahrhundert
Das Gymnasium arbeitete nach dem Modell Napoleons. Die Internatsschüler wurden zahlreicher. Die in Uniform gekleideten Schüler mussten sich der äußerst strengen Disziplin fügen : Nicht selten kam es zu Krawallen und offenen Revolten.

Die Bildung, die mit dem Baccalauréat (Abitur) endete, war vor allem klassisch mit einem wichtigeren Schwerpunkt auf Naturwissenschaften und Sprachen. Die Vorbereitungsklassen tauchten 1870 auf. Ein Dekret des 25. April 1873 bezeichnet die Lehrstätte als „Lycée Corneille“ , während das „kleine Lycée“ am Rande der Rue de Joyeuse gebaut wird, das die jüngsten Schüler ab der 1.Klasse aufnimmt. Der Sportverein „Les francs joueurs“ wurde 1890 gegründet, ein Zeichen der neuen Einflüsse in der Bildung.
Im 20. Jahrhundert
Die norwegische Klasse wurde 1918 gegründet, sie nimmt im Durchschnitt 24 Knaben auf, die drei Jahre am Gymnasium bleiben.

Nachdem das Gymnasium im Ersten Weltkrieg als militärisches Krankenhaus gedient hatte, wurde es im Zweiten Weltkrieg, zum Teil unter deutscher Besatzung, im September 1942 und vor allem am 19. April 1944 bombardiert. 1958 wurde der Lehrgang „Film und Audiovisuelles“ eingeführt, er wurde 1993 durch eine Ausbildung mit dem „BTS Audiovisuel“ ergänzt. Das Gymnasium folgt der allgemeinen Entwicklung des nationalen Schulsystems. Die Grundschulklassen (von der 1. bis zur 4. Schulstufe) verlassen das Gymnasium. Später werden auch Mädchen aufgenommen und ab 1971 bleiben nur die letzten drei Klassen des „second cycle“ im Schulverband. Das Gymnasium zählt weniger Internatsschüler und die wissenschaftlichen Fächer nehmen in der Ausbildung der Schüler einen noch bedeutenderen Platz ein. Mehrere Lehrstätten werden errichtet. Mit 1600 Schülern bzw. Studenten, davon ist ein Drittel in den sogenannten Vorbereitungsklassen (CPGE), bleibt Corneille eine hervorragende Lehrstätte durch seine Resultate beim Abitur (Baccalauréat) und durch die Erfolge der CPGE-Studenten. Eine neue Umstrukturierungs- und Renovierungsperiode der Gebäude wurde gerade vom „Conseil Régional de Haute-Normandie“, dem zuständigen Regionalrat, erarbeitet. Er erlaubt die komplette Renovierung der alten Gebäude.
Einige Zusatzinformationen

Die Kapelle

Ihr erster Stein wurde 1614 durch Königin Maria di Medici (Witwe von Heinrich IV) gesetzt. Sie wurde 1631 dem Kult geöffnet. Diese einschiffige, nach kreuzartigem Plan gebaute Kirche ist eine Vereinigung von spätgotischem Stil und klassischer Architektur. In schlechtem Zustand wurde sie 1895 durch den Gemeinderat vor dem Abriss gerettet und steht seit 1908 unter Denkmalschutz. Seit 1959 folgen viele Restaurierungsphasen aufeinander, deren Zweck es ist, sie dem Kult zurückzugeben und sie der Öffentlichkeit für kulturelle Veranstaltungen zu öffnen, die der Anstalt immer mehr Prestige einbringen. Demnächst soll eine neue Renovierungsphase beginnen, sodass die Kapelle zu diesem Zeitpunkt nicht besichtigt werden kann.

Die ehemaligen Schüler
Außer Pierre Corneille wurde das Gymnasium durch zahlreiche Schriftsteller (darunter Fontenelle, Bernardin de Saint-Pierre, Gustave Flaubert, Guy de Maupassant, Maurice Leblanc, André Maurois...), Maler (Delacroix, Corot, J. Villon...), Wissenschaftler (Charles Nicolle, Pierre-Louis Dulong, Descroizilles, Emile Blondel...), eine Reihe talentierter Abgeordneter, Generäle, Industriekapitäne, Juristen, Ärzte, Künstler, Professoren etc. berühmt.

Seit 1840 pflegen die in Paris lebenden, ehemaligen Schüler und Studenten die Tradition eines Festessens. 1864 wurde der Verband der ehemaligen Schüler gegründet, der als wichtigste Ziele den Erhalt der kameradschaftlichen Beziehungen und die Unterstützung der Jüngsten hat. 1906 gab der Verband die Zeitschrift „Unser altes Gymnasium“ zum ersten Mal heraus. Das Gefallenendenkmal im Inneren des Gymnasiums trägt die Namen von vielen ehemaligen Schülern, die im Krieg gefallen oder in der Deportation verstorben sind. Dort findet am 11.November eine Gedächtnisfeier statt.

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